Kanada - Neufundland bis Nova Scotia
Wir wären gerne in Labrador gelandet, aber der Wind hatte etwas anderes mit uns vor. Unsere Kanadareise beginnt in Neufundland, Lewisporte. Schnell merken wir, dass wir nicht mehr im Schengenraum unterwegs sind. Einreise und Zoll werden komplizierter. Nicht einfach irgendwo ankommen und sich melden ist die Devise, sondern sich an die «Port of Entry» - Informationen für private Schiffe halten. In Lewisporte sind wir genau richtig.
Fünf Tage Überfahrt bringen uns nach Kanada. Nach zwei rauen Tagen freuen wir uns über die angenehmen Temperaturen - die Heizung hat nun endgültig Sommerpause. Und wir sehen den ersten Sternenhimmel seit langem. Der Wind lässt nach und wir motoren. Am fünften Tag begleiten uns immer wieder Delfine und zeigen uns imposante Sprünge. Auch Buckelwale ziehen dicht am Schiff vorbei. Was für eine schöne Begleitung.
Voller Vorfreude starten wir in unsere letzte Nacht auf See. Bei schwachem Wind und ohne Wellen segeln wir ruhig Richtung Kanada.
Die warmen Temperaturen am Morgen sind ungewohnt. Wir navigieren durch eine bewaldete Inselwelt der «Notre Dame Bay». Der Duft der Bäume dringt bis an Bord. Lewisporte ist eine kanadische Kleinstadt mit sehr herzlichen und hilfsbereiten Menschen. Auch die Zollabfertigung an Bord mit zwei Beamten der Canada Border Services Agency verläuft für uns sehr positiv und eher locker. Für uns ist der ruhige Hafen genau der richtige Ort, um anzukommen und uns an wärmeres Wetter zu gewöhnen.
Ein erstes Problem auf dem neuen Kontinent ist für uns allerdings die Stromversorgung mit 110V und 60 Hertz. Mit unserem Trenntrafo können wir die hiesige 110V Spannung auf 220V umstellen. Und den Inverter könnten wir ebenfalls auf die nun anliegenden 60 Hertz einstellen. Dummerweise haben wir das Programmiergerät in den Niederlanden gelassen. Wir lassen das Teil nach Nova Scotia schicken und werden das System dort auf die erforderliche Frequenz einstellen. Außerdem sind wir mit Generator und Solar ausreichend versorgt.
Wir segeln zu den Samson Islands und genießen die Zeit vor Anker. Die Landschaft der Inseln ist beeindruckend. So dichter Nadelwald, dass kaum ein Durchkommen ist. Wir treffen hier nette Leute auf einer weiteren Yacht und werden prompt auf einen Drink eingeladen. Unser nächster Stopp bringt uns zu den «Exploit Islands». Ein ehemaliges Fischerdorf wurde mit Ferienhäusern neu belebt. Das Ende der Saison ist zu spüren, aber bei dem schönen Wochenendwetter sind einige Boote unterwegs.
Viele interessieren sich für Ægir und uns und wir erhalten freundliche Einladungen. Leider haben wir ein neues Problem. Am Lenkrad tritt Öl aus. Die Dichtung an der Ölpumpe der Steuerung ist defekt. Mit diesem Problem ist ein Weitersegeln eher mühsam, weil wir laufend Öl nachfüllen müssen und auch der Autopilot so nicht mehr funktioniert. Wir haben zwar eine Notpinne, wollen das Problem aber so schnell wie möglich behoben haben. Wir bekommen Unterstützung von den «Einheimischen» und erhalten den Kontakt zu einem Hydraulikspezialisten für Fischerboote. Am nächsten Tag wollen wir nach Lewisporte zurückkehren. Die Rückfahrt in den Hafen läuft problemlos. Dann ist es klar, wir bekommen in knapp einer Woche eine neue Pumpe aus den USA geliefert. Wir sind erleichtert, denn so können wir noch rechtzeitig in Richtung Nova Scotia aufbrechen. Wir verbringen ein paar Tage vor Anker und genießen noch ein paar Sonnentage. Jetzt fühlt es sich wirklich wie Urlaub an. Wir vergessen unsere Bootspläne und basteln an nichts herum.
An Land folgen wir Elchspuren, halten den einen oder anderen Plausch und sind wieder überwältigt von der Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft der Menschen hier. Immer wieder werden wir gefragt, ob wir etwas brauchen oder bekommen einfach frisch gebratene Makrelen geschenkt. So ein friedlicher Ort! Fast zu friedlich, denn große Erkundungen sind auf der Insel wegen des dichten Baumbewuchses nicht möglich. So lesen wir viel und planen weitere Etappen und das nächste Jahr.
Und dann kommt die gute Nachricht, dass unsere Pumpe angekommen ist. Flux noch etwas Öl in die Pumpe und ab nach Lewisporte. Am nächsten Tag kommt der Hydraulikprofi und -die neue Pumpe ist eingebaut.
Nach fast drei Wochen verabschieden wir uns von Lewisporte und vielen freundlichen Menschen. Neben Autoangeboten für Besorgungen, Fahrservice nach dem Einkauf, netten Gesprächen an Bord erhalten wir zum Abschied noch ein Gemüsegeschenk aus dem Garten und selbstgemachte Marmelade - was für eine beeindruckende Gastfreundschaft.
Trotzdem zieht es uns weiter. Wir peilen eine 50 SM entfernte Bucht an. Im Regen erreichen wir Snooks Arm und legen am Steg an. Einige Häuser scheinen bewohnt zu sein. Aber es sieht ziemlich verlassen aus. Die Siedlung wurde 2018 von der Regierung aufgegeben. Wir sehen ein paar Männer, die mit ihren Autos zum Steg kommen. Ein interessierter Mann kommt ans Boot und wir unterhalten uns über die Jagd, die am nächsten Tag beginnt. Jetzt heißt es aufpassen und wir sollen Warnwesten auf den Wanderungen tragen . Bären- und Elch-Jagd stehen hier hoch im Kurs. Der Wellenschlag am Pier motiviert uns weiterzufahren. Wir fahren die einsame Ostküste Neufundlands entlang, in der Hoffnung, Bären oder Elche zu sehen.
In Pacquet legen wir am Holzsteg an. Wieder werden wir herzlich empfangen. Wieder bekommen wir Angebote, mit dem Auto zum Supermarkt gefahren zu werden. Ein Mann bringt frisch zubereitete gefüllte Kalamares an den Steg. Ein Fischer schenkt uns am nächsten Morgen gleich ein Dutzend Tintenfische. Es wären so viele gewesen. Die Fangmethode «Squid Jigging» ist sehr speziell . Kein Wunder, dass hier auch große Thunfischschwärme unterwegs sind. Die bedingungslose Gastfreundschaft und Offenheit der Menschen berührt uns sehr. Ein schöner Küstenspaziergang und ein chilliger Nachmittag an Bord bei herrlichem Sonnenschein runden einen weiteren Spätsommertag ab.
Die nächsten Tage segeln wir entlang der Nordostküste. Wir nutzen die aktuellen Windvorhersagen, um in die Belle Isle Strait zu gelangen. Sehr gutes Segelwetter bringt uns rund um Cape Bauld und bei sonnigem Herbstwetter machen wir noch eine schöne Wanderung am Cape Onion. Die Landschaft hat sich wieder verändert. Alles wächst so flach wie möglich. Bei Windstille und guter Strömung steuern wir die Red Bay mit der historischen baskischen Walfangstation in Labrador an. Dann geht es zurück nach Neufundland. In Port au Choix befinden wir uns ebenfalls an einem historischen Ort, an dem verschiedene Bevölkerungsgruppen über Jahrtausende dem Robbenfang nachgingen: Die «Maretime Archaic People», die «Paleoinuits», die «Dorset Inuits», die «Beothuks» und schließlich die «European People». Offensichtlich ist die Elchjagd erfolgreich. Das merken wir an den Elchköpfen und Geweihen, die am Straßenrand liegen.
Rocky Harbour nehmen wir nur als Übernachtungsplatz mit, da uns das Wetter in den nächsten Tagen zur Weiterfahrt drängt. Schade, denn die Landschaft ist hügelig und würde sich für die eine oder andere Wanderung anbieten. Wir erreichen Port aux Basque, unsere letzte Station in Neufundland.
Unsere letzte Etappe vor einer längeren Pause beginnt. Mit einer Nachtfahrt geht es nach Nova Scotia, genauer gesagt nach Cape Breton Island. Entlang von Signalbojen mit Glockensignal verlassen wir Neufundland und werden in Nova Scotia auch so begrüßt. Mit starker Strömung geht es durch den engen Kanal nach Baddeck. Der Unterschied zwischen den beiden Provinzen ist offensichtlich. In Nova Scotia ist mehr Zivilisation, üppigere Vegetation und hier in Cape Breton auch etwas Tourismus sichtbar.
Wir lassen uns ein wenig treiben, besuchen das Alexander Graham Bell Museum, freuen uns über das erste Herbst-Farbenspiel der Bäume und gehen zu einem Sommerkonzert. Wir treffen die Crew der SY Tantalus und bekommen gute Informationen über das Segeln in Labrador. Leider läuft unser Generator nicht rund und trotz des schönen Wetters verkriechen wir uns im Motorraum. Ohne weitere Zwischenstopps durchqueren wir den Bras d’Or Lake und erreichen die St. Peters Marina. Nun müssen wir uns etwas intensiver um unsere Energieversorgung und den Landstromanschluss kümmern, bis wir in zwei Wochen Aegir für sechs Wochen verlassen.
Ein Zwischenhöhepunkt unserer Reise lässt uns feiern. Am 21. September sind wir genau zwei Jahre mit der Aegir unterwegs. Die nördlichen Regionen dieser Erde mit ihrer rauen und vielfältigen Natur gefallen uns sehr gut. Mit der Aegir haben wir eine sehr solide Partnerin, um verschiedene Orte dieser Erde zu erkunden. Aegir ist für uns ein gemütliches Zuhause und ein stabiles Segelschiff, mit dem das Segeln zu zweit oder mit Freunden und Familie Spaß macht. Für uns geht die Reise Ende November weiter!
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